Er läuft und läuft und läuft

Nun startet Olaf Beyer bei den Senioren-EM daheim in Potsdam (14.8.02)

Von Jouleen Ehebrecht

Seine Motivation zum Trainieren kennt er nicht. "Wenn ich wüsste, warum ich mir das alles immer wieder antue, würde ich es abstellen." Doch Olaf Beyers Leben dreht sich, seit er 15 ist, nur um das eine: Laufen. Nun warten die Senioren-Europameisterschaften der Leichtathleten in seiner Heimatstadt Potsdam auf ihn.

Beyer hat sich mit seiner Leidenschaft wohl bei seinem Vater Gunter angesteckt, der ihn schon in jungen Jahren mit auf den Sportplatz nahm. Irgendwann wurde der Vater zum Trainer und Olaf immer erfolgreicher. Mit 19 Jahren gelang ihm sein erster großer Coup: Kurz nach dem Abitur, dass er mit Prädikat "sehr gut" bestand, wurde Olaf Beyer 1976 überraschend in 1:46,8 min DDR-Meister über 800 m. Danach wechselte das hoffnungsvolle Talent zum ASK Vorwärts Potsdam; der Havelstadt ist er seitdem treu geblieben.

Seinen größten Erfolg feierte Olaf Beyer 1978 bei der EM in Prag. Mit 1:43,84 min lief er der gesamten Konkurrenz davon und konnte sich zusätzlich über einen DDR-Rekord freuen. 1980 war er Teilnehmer der Olympischen Spiele in Moskau und schaffte es bis ins Semifinale. Weitere Glanzpunkte in der Karriere des Ausnahmeathleten waren der jeweils zweite Platz beim Europa- und Weltpokal 1985. Nicht zu vergessen die insgesamt 37 DDR-Meistertitel, die sich im Laufe der Zeit angehäuft haben. Auch ungefähr 10 gesamtdeutsche Titel ­ so genau weiß er das gar nicht.

Mit 37 Jahren nahm Olaf Beyer Abschied vom Hochleistungssport. Allerdings mit einem Paukenschlag. Die Fachwelt staunte, als er 1994 bei den deutschen Crossmeisterschaften den dritten Platz belegte. Nach dem Rücktritt wäre der verständlichste Schritt der Welt gewesen, die Laufschuhe an den Nagel zu hängen und das Leben zu genießen. Vielleicht ein Hobby? Golfspielen, ein gutes Buch? "Keine Zeit!", meint Olaf Beyer. Denn auch heute noch trainiert der Mathe-, Physik- und Informatiklehrer der Voltaireschule in Potsdam sieben Mal pro Woche für Seniorenmeisterschaften und Volksläufe. Außerdem ist Beyer Vorstandsmitglied und gleichzeitig Sportwart des Potsdamer Laufclubs. Er kümmert sich in seiner ohnehin schon knappen Zeit um die Organisation von Laufwettkämpfen wie die Potsdamer Preußenmeile oder den Sanssouci-Pokal-Nachtlauf, der am 17. August im Holländerviertel starten wird.

Ganz nebenbei betreut Olaf Beyer als Trainer eine kleine Gruppe junger Nachwuchstalente. Sein prominentester Schützling ist wohl Patrick Schultz. Der 12-Klässler wurde 2001 bei der U 20-WM nur um wenige Hundertstel das Finale. Trainer Beyer freut sich besonders über den Erfolg seiner 3mal-1000-m-Staffel. "Die Jungs wurden deutscher Vizemeister!".

Um die Familientradition fortzuführen, findet sich auch Olaf Beyers eigener Sohn in Papas Trainingsgruppe wieder. Stefan wurde gerade Vizemeister über 400 m bei den Norddeutschen Meisterschaften und macht damit Hoffnung auf mehr. Im Moment sind allerdings alle Augen auf Olaf Beyer gerichtet. Der nun 45­Jährige ist Favorit über die 800 m bei den Senioren-EM in Potsdam. Gute Aussichten hat er allemal, da sich Beyer bei der EM 1998 schon als Zweiter platzieren konnte und ein Jahr später noch einen siebten Platz bei den Senioren-Weltmeisterschaften nachlegte. Auch der Potsdamer selbst ist optimistisch: "In den Endlauf will ich auf jeden Fall, und eine Medaille ist dann gut möglich." Der Startschuss für den Vorlauf fällt am 22. August im Stadion Luftschiffhafen. Das Semifinale findet einen Tag später statt, der Endlauf schließlich am 24. August. Ob ihm der Wettkampfstress denn überhaupt nichts ausmache? "Eigentlich nicht", sagt Beyer und verweist auf über 25 Jahre Wettkampferfahrung. "Aber besonders vorbereitet habe ich mich schon. Ich bin weniger Wettkämpfe gelaufen und habe dafür mehr trainiert". Ein wenig laufverrückt ist er, das gibt er auch gerne zu. Aber Beyer liebt nun einmal seinen Sport und den Wettkampf. Und wenn er erfolgreich ist, warum soll er dann aufhören?

Das hat sich wahrscheinlich auch sein Vater gedacht, denn der ist mit 70 Jahren immer noch aktiver Läufer.

Quelle und mit freundlicher Genehmigung der Potsdamer Neuesten Nachrichten