Mittelstreckler Willi Klaus aus Zossen wird Vize über 300 Meter Hürden

"Der kann doch gar nicht Hürdenlaufen"

Peter Stein

POTSDAM (19.08.) "Das kann doch nicht wahr sein. Der kann doch gar nicht Hürdenlaufen." Dieser Satz war von den Geschlagenen im Feld der über 60-jährigen Männer nach dem 300-m-Hürden-Finale mehrfach zu hören. Allerdings blieb deshalb nicht das Schulterklopfen für Willi Klaus aus. Im Gegenteil, die Anerkennung kam von Herzen, wenn auch der Gratulation so mach nicht druckbarer Fluch vorausgegangen war.

Dabei hieß der Europameister überhaupt nicht Willi Klaus. Der für Lok Potsdam startende Zossener hatte die Ziellinie erst als Zweiter überquert. Doch der Sieger, Guido Müller aus München, war von vornherein von niemandem des Feldes in irgendwelche persönlichen Kalkulationen einbezogen worden. "Der läuft in einer anderen Liga", erklärte Helmar Priesemuth, der so gern jene an Klaus gegangene Silbermedaille erobert hätte. In der Tat, Guido Müller, ein selbstständiger Handelsvertreter für feine italienische Schuhe aus der Isar-Stadt, ist vor allem technisch den Konkurrenten voraus. "Ich war schon als Jugendlicher Hürdenspezialist", klärt er auf. Der 63-Jährige steht in den Statistiken aus den 60er Jahren mit Bestleistungen von 47,6 s über 400 m und 51,3 s über 400 m Hürden. "Ich trainierte immer sehr viel, liebe die Leichtathletik und vor allem den Hürdenlauf", berichtet er.

Viel und gern trainiert auch Überraschungs-Vize Klaus. "Ich bin ein Späteinsteiger. Bis zu meinem 50. Lebensjahr stand der Beruf im Mittelpunkt", erzählt der drahtige Läufer. "Nach der Wende kam noch einmal eine Pause, weil ich das Autohaus aufbaute, doch dann stand wieder der Sport ganz hoch im Kurs", so der eigentliche Mittelstreckler, der die Hürden nur so nebenbei mitmachte und in der Tat eigentlich in den Medaillenrängen wegen seiner nicht vorhandenen Technik kaum erwartet worden war.

"Ich strauchelte schon an der sechsten Hürde, kam dann auch an der letzten nicht mehr hin", haderte hingegen Spezialist Priesemuth mit dem Rennen. Wenige Minuten später und nach einem Küsschen des Enkelchens war der Frust aber verflogen. "Ich bin stolz, dass wir hier die EM haben und die vielen Sportler sich wohl fühlen. Der Name Potsdam strahlt wieder weit aus, das ist doch einfach prima", strahlt Priesemuth da schon wieder und verkündet, dass er sein letztes Rennen gelaufen ist. H.SP.

Quelle und mit freundlicher Genehmigung der Märkische Allgemeine