Schneller, höher, weiter ­ älter

Die Leichtathleten des ESV Lokomotive Potsdam gehen bei der Senioren-EM zahlreich an den Start (13.8.02)

Von Robert Schreier

Noch drei Tage, dann fällt der Startschuss zu den Europameisterschaften der Leichtathletik-Senioren in Potsdam. 4886 Teilnehmer aus 39 Ländern werden an zehn Wettkampftagen 586 Sieger ermitteln. Das gastgebende Brandenburg nimmt mit 180 Athleten teil, das Gros stellt der ESV Lokomotive Potsdam.

Lok Potsdam wird dreißig Sportler im Alter zwischen 35 und 76 Jahren in die Stadien schicken. Die in Deutschland führende 4mal-100-m-Staffel gehört auch europaweit zu den Favoriten. Ob es nach den Einzelergebnissen alle Lok-Sprinter in die Nationalauswahl schaffen, bleibt jedoch abzuwarten. In die Ringe werden acht Werfer vom ESV Lok steigen. Dabei visieren sie insgesamt drei Medaillen an. Ein Kandidat dafür ist Wolfgang Hamel. Der Senioren-Weltmeister von 1995 und 1997 stößt in der Altersklasse M60 die Kugel und wirft Diskus. Im vergangenen Jahr wurde Hamel mit 15,53 m Deutscher Meister im Kugelstoßen. Das Gefühl, Europas Beste zu sein, kennt Petra Wersch bereits. Auch die Diskuswerferin (W40) kann in diesem Jahr im Kampf um den Titel eingreifen.

Eine Medaillenbank war in der Vergangenheit auch Hans Schuffenhauer. Mit 76 Jahren trägt der Vorzeigesportler das Prädikat des ältesten Potsdamer Teilnehmers. Und frei nach dem Motto "je oller, je doller" startet er in gleich fünf Disziplinen. Im Hochsprung wurde Schuffenhauer bereits zweimal Weltmeister seiner Altersklasse (1991 mit 1,54 m und 2001 mit 1,33 m). Im Werfer-Fünfkampf, der auf der Babelsberger Sandscholle stattfindet, stellte Schuffenhauer bei der WM im vergangenen Jahr einen Weltrekord der M70 auf. In diesen beiden Wettbewerben rechnet sich das Leichathletik-Urgestein auch in diesem Jahr die besten Chancen auf Edelmetall aus. Auf 53 Jahre Wettkampfsport blickt der Rentner mittlerweile zurück, und er gibt unumwunden zu: "Ich war nie ein Talent, ich habe mir mit Fleiß alles erarbeitet."

Senioren-Leichtathletik hat eine große Tradition bei Lok. Die internationalen Erfolge nach der Wende ­ 16 WM-Titel und sieben Weltrekorde ­ machten den internationalen Verband auf Potsdam aufmerksam. Nun streben die Lok-Sportler ihrem Höhepunkt in der Heimatstadt entgegen.

Herausragen soll für die Aktiven des ESV auch der Marathon am 25. August. Ein ganzes Dutzend Lok-Läufer werden dort aktiv dabei sein. Für Karin Hille (W 45) wird es die internationale Feuertaufe sein. Im Marathon könnte für sie oder den einen oder anderen Trainingskollegen ein Platz auf dem Medaillenpodest drin sein. "Bei einem guten Tag ist alles möglich, aber ich habe viel Respekt vor dem Rennen", hängt die Sportlehrerin, die auch die 10 000 m laufen wird, die Trauben sehr hoch.

Nicht nur auf dem Asphalt durch die Potsdamer Innenstadt, den Wildpark und Geltow finden sich Mitglieder von Lok Potsdam. Auch außerhalb helfen sie kräftig mit. Dr. Helmar Priesemuth, selbst im Hürdenlauf aktiv, hilft im Organisations-Komitee mit und zeigt sich vom Marathon begeistert: "Ich habe eine solch schöne Strecke noch nie gesehen." Eine der zahllosen Helfer am Rande der Strecke wird auch Leo Hohmann von Lok Potsdam sein. Der begeisterte Läufer fand nach einem Schicksalsschlag in der Familie im Sport wieder einen Antrieb und bestreitet die 5000 und 10 000 m. "Mein Ziel sind Zeiten von 21 beziehungsweise 42 Minuten", lässt es der fast 70-Jährige, der erst durch die in der DDR populären Meilenläufe zum Laufen fand, ruhiger angehen.

Fast tägliches Training prägt auch bei den Senioren-Sportlern den Tag. "Man sollte gelegentlich einen Ruhetag einschieben, doch oft habe ich dafür nicht die innere Ruhe", gibt Karin Hille zu. Und dass sich die Mühen lohnen, weiß Hans Schuffenhauer: "Wer weiß, wie ich aussehen würde, wenn ich nicht immer Sport getrieben hätte." So manches Zipperlein sei nach Überzeugung der Recken wegen des Sports erst gar nicht aufgetreten.

Daher wollen die Leichtathletik-Veteranen möglichst viele ihres Alters mit dieser Leidenschaft infizieren. "Mit sechzig fängt das Leben an ­ das muss den Leuten gezeigt werden", so Priesemuth. Aber zwingen kann man niemanden zum gesunden Leben. Das möchte auch Hohmann nicht. Auf die Frage, warum er sich die Torturen bei Läufen wie am Rennsteig antut, antwortet er stets: "Ein anderer geht morgens um zehn in die Kneipe, kommt abends nach Hause und sagt auch: Das war ein schöner Tag." Alle, die nicht so denken, kommen am Donnerstag nach Potsdam.

 

Quelle und mit freundlicher Genehmigung der Potsdamer Neuesten Nachrichten